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Meine eigenen Morpheme und Wörter
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Nach so viel Theorie brennst du nun sicherlich darauf, deine ersten Wörter zusammenzustellen und ein erstes Wörterbuch zu basteln. Zwei Bereiche, die hierfür wichtig sind, haben wir bereits eingehend besprochen: die Lautlehre und die Morphologie, also die Lehre von den Morphemen. Rein technisch betrachtet können wir damit also schon unsere ersten Wörter zusammenstellen. Nehmen wir zwei Beispiele, um die Informationen über den Aufbau eines Wörterbucheintrags zu überblicken, die wir bisher haben: ''klautest'' und ''Apfelsaft''. Letzteres besteht aus zwei Morphemen, ''Apfel'' und ''Saft''. Im Wörterbuch finden wir eben genau diese beiden Begriffe. Jetzt kann der ''Apfelsaft'' auch noch zusätzliche Eigenschaften oder Bedeutungen bekommen, oder es fallen Eigenschaften bzw. Bedeutungen weg. In dem Fall spricht man davon, dass das zusammengesetzte Wort lexikalisiert ist. Es bekommt einen eigenen Eintrag in unser Wörterbuch. Aber sehen wir unsere Einträge einmal etwas genauer an (Die einzelnen Bedeutungen sind hier etwas vereinfacht dargestellt. Wie kompliziert die Sache mit den Bedeutungen tatsächlich ist, ist Thema eines späteren Kapitels hier im Tutorial.): :''Apfel'' enthält zunächst einmal die Aussprache ['ʔapfəl] oder in Phonemen /apfel/. Soweit, so klar. Der nächste Schritt ist dann die Frage nach den Eigenschaften. Kommt das Morphem frei oder gebunden vor? ''Der Apfel hängt am Baum.'' Der ''Apfel'' kommt ohne andere Morpheme aus, ist also ein freies Morphem. Außerdem wissen wir, dass es ein Nomen bzw. ein Substantiv ist und deshalb einen Genus hat, in diesem Fall maskulin. Der Plural wird mit einem Simulfix gebildet, das Umlaut genannt wird und das aus einem /a/ ein [ɛ] macht.<sup>1</sup> Rein äußerlich haben wir das Morphem damit schon fast beschrieben. Kommt noch die Bedeutung "[Konkretum] Frucht des Apfelbaums" hinzu und unser erstes Wort ist fertig. :''Saft'' ist sehr ähnlich. Die Aussprache ist [zaftʰ] bzw. /saft/, es ist ebenfalls ein maskulines Nomen, und der Plural wird durch einen Umlaut kombiniert mit dem Suffix ''-e'' gebildet. Die Bedeutung ist "[Konkretum] (trinkbare) Flüssigkeit aus oder in einem organischen Körper". :Für ''Apfelsaft'' gelten praktisch die gleichen Bedingungen wie für ''Saft'', mit der speziellen Bedeutung "[Konkretum] aus Äpfeln gepresstes Getränk". ''klautest'' besteht aus den Morphemen ''klau-'', ''-te'' und ''-st''. :Die Aussprache für ''klau-'' ist /klau/, für ''-te'' /te/ und für ''-st'' /st/. (In diesem Fall sind die Aussprachen phonemisch gesehen recht simpel.) :''klau-'' ist ein Verb mit einer sogenannten schwachen Konjugation. Die schwache Konjugation ist ein Regelpaket, welche grammatischen Informationen wie realisiert werden, und ist das häufigste (wenn auch nicht das einzige) Konjugationsmuster der deutschen Sprache. Dazu kommt noch die Information zur Valenz (die später noch genauer beschrieben wird), dass zwei Nominalphrasen<sup>2</sup> gebraucht werden, eine im Nominativ und eine im Akkusativ. Außerdem kann noch eine weitere Nominalphrase im Dativ hinzu kommen. Die Bedeutung ist "[Handlung] etwas ohne Erlaubnis entwenden". :''-te'' oder der Ablaut (ein Simulfixmuster bei der starken Konjugation) bezeichnet die Vergangenheitsform, die als Suffix an das Verb gehangen wird. ''-st'' ist ein Verb-Suffix, das die 2. Person im Singular bezeichnet. Diese beiden Morpheme sind gebunden und beinhalten nur grammatische Bedeutungen. Sie gehören zwar prinzipiell zum "Morphemschatz", werden aber dennoch nicht in einem Wörterbuch zu finden sein, da sie keine separaten Wörter darstellen können und keine lexikalische Bedeutung beinhalten. Stattdessen sind sie Teil der Grammatik im Sinne einer Sprachbeschreibung. Um es zusammenzufassen: Es gibt vier Ebenen, die für die Erstellung eines Wörterbuches wichtig sind. Innerhalb dieser müssen bestimmte Fragen geklärt werden: ;Lautebene *Welche Morphe enthält das Morphem? *Wie werden die Morphe ausgesprochen? *Unterliegt der Gebrauch bestimmter Morphe bestimmten Regeln? ;Morphemebene *Kommt das Morphem frei oder gebunden vor? *Welche grammatischen Informationen stecken darin? *Gibt es Restriktionen für den Gebrauch? Also: Kann das Morphem frei verwendet werden, oder ist der Gebrauch durch bestimmte Regeln eingeschränkt? ;Satzebene *Welcher Wortart gehört das Morphem an? *An welche Wortart kann es angehängt, bzw. in welcher Umgebung kann es eingesetzt werden? *Im Falle eines Verbs muss geklärt werden, wie die Valenz aussieht. Daraus ergeben sich weitere Fragen: **Welche Wertigkeit hat das Verb? **Gibt es eine optionale Valenzergänzung und wenn ja, hat sie Einfluss auf die Bedeutung? **Welche Kasus erfordern die Ergänzungen? ;Bedeutungsebene *Welche Bedeutung(en) enthält das Morphem? *Gehört es zu einer semantischen Gruppe und wenn ja, zu welcher? *Gibt es semantische Einschränkungen, wie das Morphem benutzt werden kann? *Wenn es ein Verb ist, welche semantischen Rollen verteilt es? Das sind viele Fragen, und wenn du nicht schon Vorwissen besitzt oder die nächsten Kapitel gelesen hast, wirst du mit den Fragen aus der Satzebene und der Bedeutungsebene nur zum Teil etwas anfangen können. Erste Gedanken kannst du dir aber trotzdem schon machen und dir auch schon überlegen, was für Wortarten du haben willst und wie die organisiert sind. Das führt dich direkt zu deinen ersten Affixen. Schau dir am besten nochmal an, was es an Möglichkeiten für Affixe und Wortarten gibt und baue dir daraus eine erste Struktur zusammen. Du wirst wahrscheinlich einige Bestandteile noch mehrfach umschmeißen und abändern. Mach das, kein System ist von Anfang an so, wie es am Schluss aussieht. Selbst in meinen Sprachen, die ich schon seit Jahren bebastele, verändere ich ab und zu eine Kleinigkeit. <small> :<sup>1</sup> Wenn du das genauer betrachten möchtest, kannst du dir auch überlegen, wie die phonemische Regel dazu aussehen müsste. Parallel zu /a/ -> [ɛ] gibt es im Deutschen auch noch /o/ -> [œ] und /u/ -> [y]. :<sup>2</sup> Das sind Phrasen, die ein Nomen enthalten. Mehr dazu kommt im Kapitel über die Satzgrammatik. </small>
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