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Das menschliche Lautinventar
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== Artikulation == Wenn wir sprechen geben wir Laute von uns. Zumindest meistens. Es gibt natürlich auch Sprachen, die anders funktionieren, nämlich über Zeichen und Mimik. Die Gebärdensprachen. Andere Möglichkeiten sind zumindest theoretisch denkbar, wie etwa durch Farbveränderungen, eine Art der Kommunikation, wie sie bei den Tintenfischen verwendet wird. Aber die werden in diesem Kapitel ausgespart. Eine besondere Gruppe von Sprachen auf Lautebene sind die Pfeifsprachen, die vor allem in bergigen Regionen zu finden sind. Wie sie genau funktionieren, weiß ich leider nicht. Also bleibt die größte Gruppe an sprachen, nämlich die gesprochenen. Wenn wir von einem menschlichen Volk, oder von einem Volk mit menschenähnlicher Anatomie ausgehen, sieht der Querschnitt des Sprechapparates wie folgt aus: [[Datei:Sprechapparat.png|200px|thumb|left|Sprechapparat]] Hierbei gibt es Teile, die aktive Artikulatoren und passive Artikulationsorte. Die Lippen, die Stimmlippen und die Zunge sind Artikulatoren, wobei die Zunge nochmals in Zungenspitze, Zungenrücken und Zungenwurzel eingeteilt wird. (Wir werden später sehen, warum man das so genau unterteilen muss.) Artikulationsorte sind die Oberlippe, die Oberkieferzähne, der Zahndamm, der harte und der weiche Gaumen, das Zäpfchen und der Rachen.<br> Ein Laut entsteht nun, indem ein Luftstrom erzeugt wird und die Artikulatoren in Position gehen. Das kann beispielsweise so aussehen, dass wir die Zungenspitze locker auf den Zahndamm legen und ausatmen, sodass die Luft zwischen Zahndamm und Zunge hindurch strömt. Wir haben ein s erzeugt. Wenn die Luft so durch den Sprechapparat hindurchfließt, dass wir eine deutliche Verengung haben, wie beim s, entsteht ein deutlich hörbares Rauschen, in Fachchinesisch Friktion genannt. Deshalb heißen solche Laute Frikative. Sie können ebenso wie Plosive stimmhaft (also mit Stimmbändern) oder stimmlos (also ohne Stimmbänder) gesprochen werden. Moment mal, was sind den Plosive? Plosive sind Laute, die erzeugt werden, indem der Sprechapparat komplett geschlossen wird und der Luftstrom deshalb nicht mehr fließen kann. Dadurch baut sich ein Druck auf, der zu einem Knall führt, wenn der Sprechapparat wieder geöffnet wird. Wenn wir unsere Zungenspitze auf den Zahndamm legen, aber keine Luft hindurch lassen, erzeugen wir anstatt eine s ein t.<br> Oder ein n. Nämlich dann, wenn wir die Luft einfach durch die Nase entweichen lassen und somit keinen Druck aufbauen. In den meisten Sprachen sind solche Nasenlaute allerdings grundsätzlich stimmhaft (aber es gibt wie so oft Ausnahmen). Frikative, Plosive und Nasale, wie die Nasenlaute genannt werden, sind Artikulationsarten. Zu den Artikulatoren und Artikulationsorten kommt also noch ein drittes Merkmal, nämlich die Artikulationsart.<br> Neben den bisher genannten Arten gibt es noch Vibranten, die durch Flattern eines Artikulators erzeugt wird. Das bayrische r ist zum Beispiel ein solcher Vibrant. Eine Besonderheit bildet dabei das r, das am Zäpfchen gebildet wird, da hier nicht der Artikulator, also die Zunge, sondern das Zäpfchen vibriert. Eine Vibration besteht in diesen Fällen aus mehrern kurzen Anschlägen, die aufeinander folgen. Wird nur einmal angeschlagen, spricht man von einem Tap oder Flap. (Es gibt zwar einen Unterschied zwischen den Beiden, aber der ist so klein, dass er hier keine Rolle spielt.) In einigen Sprachen wie im Spanischen macht es einen Bedeutungsunterschied, ob man einen Vibranten oder ein Tap benutzt, weshalb das auch entsprechend geschrieben wird. So heißt „pero“, gesprochen mit einem Tap, „aber“ und „perro“, gesprochen mit einem Vibranten „Hund“. <br> Vergrößert man die Öffnung eines Frikativs so weit, dass kein Rauschen mehr zu hören ist, entsteht ein Approximant. Das kommt von Lateinisch approximare „sich nähern“. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist das w im Englischen, das sich aber interessanterweise auch in der deutschen Sprache wieder findet, ohne dass es den Meisten bewusst ist, wie etwa bei „bauen“. Diese Artikulationsart kommt, soweit bekannt, nur stimmhaft vor.<br> Zu den „normalen“ Artikulationsarten fehlen uns dann nur noch die Lateralen, die sich in Frikative (also mit Rauschen) und Approximanten (entsprechend also ohne Rauschen) und Flaps unterteilen lassen. Und was sind nun Laterale? Der prominenteste Lateral ist das l. Dabei entweicht die Luft nicht vorne, sondern seitlich. Das l ist hier ein Approximant, aber wenn wir die beiden Öffnungen soweit schließen, dass es anfängt zu rauschen und die Stimmlippen still halten erhalten wir einen Laut, der in keltischen Sprachen vorkommt und meistens ll geschrieben wird. Wir haben also folgende Artikulationsarten: Frikative, Plosive, Nasale, Vibranten, Taps, Approximanten und Laterale. Das ist eine ganze Menge und doch noch nicht alles. Es gibt nämlich Sprachen, die noch andere Arten der Artikulation kennen, nämlich Klicks, Implosive und Ejektive. Fangen wir hinten an. Ejektive sind laut Wikipedia „nichtpulmonale Konsonanten, meist Plosive, die durch eine rasche Aufwärtsbewegung des Kehlkopfes bei geschlossener Glottis und durch anschließende Lösung des oralen Verschlusses gebildet werden.“ Autsch. Das klingt kompliziert. Aber dröseln wir das mal auf: Wir haben Plosive, die „nichtpulmonal“ sind. Das heißt einfach, dass sie nicht, wie oben beschrieben durch einen Luftstrom erzeugt werden. Wir schließen die Stimmlippen (Glottis) und setzen den Kehlkopf nach oben, wodurch ein Überdruck wie bei den Plosiven erzeugt wird. Für jemanden, der das nicht kennt, wird es schwierig, das nachzuvollziehen und es ist noch schwerer das richtig zu erklären, ohne es vorzumachen. Versuch es aber trotzdem einfach mal vor dem Spiegel, damit du deinen Kehlkopf sehen kannst.<br> Implosive funktionieren umgekehrt wie Plosive, wir kehren den Luftstrom dafür einfach um. Das heißt, wir atmen ein. Das ist glücklicherweise um einiges einfacher als bei den Ejektiven.<br> Die erstgenannte ungewöhnliche Artikulationsart, die Klicks sind etwas komplexer. Nähere Erklärungen spare ich mir daher für das Kapitel über besondere Laute auf. Falls es dir schon aufgefallen ist: Nein, die Vokale sind keine Approximanten und vergessen habe ich sie auch nicht. Vokale zeichnen sich dadurch aus, dass es keine Behinderung des Sprechapparates gibt, die Zunge also unten aufliegt. Allerdings hat sie auch hier eine nicht unwichtige Rolle. Ist die Zunge weiter vorne oder weiter hinten? Beim i ist sie vorne, beim u hinten. Dazu kann der Kiefer weit geöffnet sein, wie beim a oder mehr oder weniger geschlossen wie beim i. Das größte Problem bei Vokalen besteht darin, sie einzuteilen, da es zwischen vorne und hinten und zwischen offen und geschlossen unendlich viele Zustände gibt. Die übliche Einteilung in der Phonetik ist offen, halboffen, halbgeschlossen, halboffen und vorne, zentral, hinten. Dazu kommt noch die Unterscheidung, ob ein Vokal mit gerundeten Lippen gesprochen wird, wie das ü oder mit ungerundeten, wie das i. Vokale unterscheiden sich also durch den Kieferöffnungsgrad, der Zungenstellung und der Lippenrundung.<br> Wobei ein Vokal besonders wichtig ist (so sehr, dass er einen eigenen Namen bekommen hat), auch wenn ihn viele nicht so wahrnehmen, nämlich das Schwa. Es handelt sich dabei sozusagen um den einfachsten Vokal, da er ungerundet und zentral zwischen halboffen und halbgeschlossen zu finden ist. Es gibt, soweit bekannt, keine Sprache, in der dieser Laut nicht vorkommt. Das e in „Sprache“ ist zum Beispiel ein Schwa. Das ist natürlich insgesamt eine große Fülle an Lauten und man verliert schnell die Übersicht, darüber. Außerdem gibt es dazu noch eine große Anzahl an Möglichkeiten, diese unterschiedlich auszusprechen. Aber zum Glück sind wir nicht die ersten, die einen Überblick über die möglichen Laute haben wollen. Und genau deshalb gibt es das Internationale Phonetische Alphabet (IPA): :– IPA-Tabelle –: Wie du sehen kannst, gibt es da mehrere Tabellen, in denen die möglichen Laute zu finden sind. Mit vorgeschlagenen Zeichen, die jeweils den Laut repräsentieren. Die oberste Tabelle bildet die Konsonanten ab. Wir erinnern uns, es gibt die Artikulatoren Lippen, Stimmlippen und Zunge (bestehend aus Zungenspitze, Zungenrücken und Zungenwurzel), die Artikulationsorte Oberlippe, Oberkieferzähne, Zahndamm, harter und weicher Gaumen, Zäpfchen und Rachen, sowie die Artikulationsarten Frikative, Plosive, Nasale, Vibranten, Taps, Approximanten und Laterale, die sich wiederum in Frikative, Approximanten und Flaps einteilen lassen.<br> Das findet sich, wenn auch in (englischer) Fachsprache verschlüsselt, in dieser Tabelle wieder. Links stehen die Artikulationsarten, wobei die Vibranten hier Trill heißen und oben die Artikulatoren und Artikulationsorte. Für die reine Lautbildung sind die Artikulatoren, die ganz oben stehen, unerheblich, da sie, wie man der Tabelle entnehmen kann, immer für bestimmte Artikulationsorte zuständig sind. Sie werden aber hinterher noch wichtig, wenn wir uns darum kümmern, wie die Lautbildung in gesprochenen Sprachen abläuft, da hier bestimmte Regeln gelten, die teilweise von den Artikulatoren abhängen. Behalten wir sie also im Hinterkopf. (Die Fachbegriffe aus der Tabelle musst du dir dafür aber nicht merken.) Die Artikulationsorte sind dafür umso wichtiger zur Lautunterscheidung, einfach, weil man sie viel einfacher einteilen kann. Und damit du auch wirklich verstehst, was diese seltsamen Begriffe in der Tabelle bedeuten, übersetze ich sie hier mal die Grundwörter, die alle aus dem Lateinischen stammen: *labium – Lippe *dentes – Zähne *alveolus – Zahndamm *palatum – harter Gaumen *velum – weicher Gaumen *uvula – Zäpfchen (wörtlich eigentlich Träubchen) *pharynx – Rachen *glottis – Stimmritze, also vereinfacht gesagt, das Loch zwischen den Stimmlippen Einer Erklärung bedürfen hierbei wohl retroflex und epiglottal. Bei retroflexen Lauten wird die Zunge zurück gebogen, sodass sie aussieht, wie der Bogen, den die Zeichen in der Tabelle haben. Links unterhalb findet sich eine kleine Tabelle zu den Klicks, Implosiven und Ejektiven, wobei es aber gerade bei den Klicks sehr viel mehr gibt, als die hier aufgeführten. Rechts daneben sind Konsonanten, die sich nicht in die obere Tabelle eintragen lassen, da sie anders gebildet werden, nämlich an zwei Artikulationsorten gleichzeitig. Der Bogen unter oder über zwei Zeichen hat dummerweise gleich zwei Bedeutungen. Er kann nämlich zum Einen dazu benutzt werden, andere Laute, die an zwei Artikulationsorten gebildet werden, aufzuschreiben. Dabei werden die zwei Zeichen genommen, die jeweils für den entsprechenden Artikulationsort (und natürlich auch die Artikulationart) steht. Zum anderen kann der Bogen aber auch zwei hintereinander vorkommende Laute zusammenfassen, die in einer Sprache enger zusammen gehören. Das ist dann immer ein Plosiv, gefolgt von einem Frikativ, das an dem gleichen, oder naheliegenden Ort gebildet wird. Links über der untersten Tabelle findet sich das sogenannte Vokaltrapez. Dabei gehen die Unterteilungen noch etwas weiter, als ich das weiter oben erwähnt habe. Nun haben wir einen guten Überblick, über die Laute, die mit unserem Sprechapparat erzeugt werden können. Natürlich kann man sich überlegen, wie sich Laute von anatomisch anders gebauten Wesen anhören, aber dafür muss man noch weiter in die Materie einsteigen. Denn es gibt noch Einiges (die IPA-Tabelle verät es), was es über die Lautbildung zu wissen gibt. Im Folgenden werde ich daher genauer erklären, was sich mit unserem Sprechapparat alles anstellen lässt. === Der Vokaltrakt === [[Datei:Vokaltrakt.png|160px|thumb|left|Vokaltrakt]] Wie in dem Bild zu sehen, besteht der Vokaltrakt aus dem Nasenraum, dem Mundraum und dem Rachenraum. Die Stimme wird gebildet, indem Luft durch den Vokaltrakt gepustet wird, ähnlich wie bei einer Flöte. Und genau wie bei dieser hängt auch die Stimmhöhe von der Länge ab. Der Raum vom Kehlkopf bis zu den Lippen wird Ansatzrohr genannt. Bei Frauen ist die Länge des Ansatzrohres im Vergleich zu den Männern kürzer, weshalb sie höhere Stimmen haben. Die Länge lässt sich aber auch variabel ändern, indem der Kehlkopf nach oben oder unten verschoben wird, wodurch wir in der Lage sind, die Stimmhöhe zu beeinflussen. Das kann man damit vergleichen, dass bei einer Flöte die einzelnen Löcher zugedrückt werden, wodurch die Länge des Luftstroms verändert wird; Nur dass wir das stufenlos können. Ist der Kehlkopf oben, ist das Ansatzrohr kürzer, es werden hohe Töne produziert; Ist der Kehlkopf unten, ist das Ansatzrohr länger, es werden tiefere Töne produziert. Jetzt ist der Vokaltrakt aber etwas komplexer aufgebaut als eine Flöte, wodurch es uns möglich ist, nicht nur die Tonhöhe zu ändern, sondern an vielen Stellschrauben zu drehen. Wir können den Luftstrom über die Nase leiten, den Kiefer auf und ab bewegen und die Zunge in unterschiedliche Richtungen bewegen, immerhin ist sie unser beweglichstes Körperteil.<br> Da ich hier nicht näher auf die physikalischen Eigenschaften und die genaue Akustik eingehen will (dazu gibt es genug gute Fachbücher), halte ich mich damit kurz. Ein paar Dinge müssen hier aber unbedingt erläutert werden. Die Tonhöhe (Frequenz) wird in Kilohertz (kHz) gemessen und die Lautstärke (Amplitude) in Dezibel (dB). Die gesprochenen Laute bestehen aus einem Gemisch unterschiedlicher Tonhöhen, die gleichzeitig erzeugt werden, wobei bestimmte Frequenzen lauter sind als andere. In einem Spektogramm wird dies bildlich dargestellt: :- Spektogramm (von einem Vokal) -: Wenn man sich nun einen Laut ansieht, stellt man bei Vokalen und einigen Konsonanten fest, dass es bestimmte Frequenzbereiche gibt, die deutlich lauter sind, als andere. Diese werden Formanten genannt, der Unterste ist dabei Formant 1, der darüber Formant 2 u.s.w. Anhand des Frequenzbereichs der Formanten kann man den Vokal bestimmen, wobei normalerweise die zwei Untersten reichen.<br> Warum ich das erzähle? Daran kann man sich plastisch den unterschied zwischen zwei hintereinander gesprochenen Vokalen und Diphthongen (oder Triphthongen) vorstellen. Diphthonge wie das "au" sind sehr bekannt und können als ein Einzellaut betrachtet werden, der von einer Vokalposition zu einer zweiten rutscht. Das erkennt man an den Formanten, die am Anfang des Diphthongs dem einen Vokal entsprechen und am Ende dem zweiten Vokal. Allerdings verändert er sich kontinuierlich, sodass eine Trennung zwischen den zwei Vokalen unmöglich ist. Anders ist es bei zwei hintereinander produzierten Vokalen. Vielleicht kennst du den Fußballspieler Raúl, der hierzulande gerne Raul ausgesprochen wird, also mit einem Diphthong. Er wird aber korrekterweise mit zwei hintereinander folgenden Vokalen gesprochen, also Ra-ul. Diese Kombination kennt ein deutscher Muttersprachler nicht, weshalb er direkt eine "Lücke" hinzufügt (darüber im nächsten Abschnitt mehr). Versuch einfach mal, den Namen richtig auszusprechen, ohne "Lücke" dazwischen. Triphthonge kommen nicht so häufig vor, sind aber das Gleiche wie Diphthonge, nur dass dazwischen noch eine dritte Vokalposition liegt. Zur Erinnerung: *wir können die Zunge an verschiedenen Stellen anheben und sie vor- und zurückbewegen, *wir können den Kiefer auf- und abbewegen, *wir können den Nasenraum öffnen und schließen, *wir können den Kehlkopf auf und abbewegen *und wir können unsere Lippen runden. *Wir können dies alles kombinieren, zeitgleich und zeitversetzt. All das verändert den Vokaltrakt, wodurch die jeweiligen Laute gebildet werden. Gibt es keine Behinderung des Luftstroms, sprechen wir von Vokalen, gibt es eine Behinderung, so ergeben sich daraus Konsonanten. Approximanten liegen irgendwo dazwischen, da es keine Behinderung des Luftstroms im eigentlichen Sinne gibt, aber dennoch eine stärkere Verengung, als bei Vokalen. === Die Stimme === Aber das ist nicht alles, denn in unserem Hals stecken noch Muskeln, die sich anspannen oder entspannen können: die Stimmlippen. Die Analogie zu den Lippen ist durchaus berechtigt, da sie ähnlich funktionieren: Wenn wir die Lippen aufeinander pressen, kommt keine Luft mehr durch und wenn wir die Luft durchlassen, können wir, je nachdem, wie weit wir die Lippen auseinander nehmen, ein Rauschen erzeugen (oder eben nicht). Aber noch etwas können wir mit den Lippen, was noch viel wichtiger ist, wenn es um die Stimmlippen geht: Wir können sie vibrieren lassen. Typischerweise wird das Vibrieren der Lippen im deutschen Sprachraum dazu benutzt, um das Schnauben eines Pferdes nachzuahmen. Versuch es mal. Genauso funktioniert das auch mit den Stimmlippen und genau das tuen wir zum Beispiel, wenn wir Vokale sprechen. Einige Laute werden in der Regel immer so gesprochen, dass die Stimmlippen vibrieren. Das nennt sich dann stimmhaft. Sind die Stimmlippen einfach nur auf, sind die Laute entsprechend stimmlos. Vokale, Approximanten, Vibranten, Nasale und Taps sind normalerweise stimmhaft (allerdings gibt es immer auch Außnahmen), zu den anderen Artikulationsarten (Frikative, Plosive, Implosive, Ejektive und Klicks) gibt es immer eine stimmhafte und eine stimmlose Variante.<br> Ob die Stimmlippen geöffnet oder geschlossen sind, beeinflussen wir, indem wir die sogenannten Stellknorpel verdrehen, an denen die Stimmlippen befestigt sind. Allerdings können wir dadurch nicht nur stimmhafte und stimmlose Laute erzeugen, sondern auch einen kompletten Verschluss bilden, sodass keine Luft mehr hindurch kommt. Dieser Verschluss, der zu den Plosiven zählt kommt im Deutschen überall dort vor, wo eine Silbe mit einem Vokal zu beginnen scheint. Einem englischen oder französischen Sprecher klingt es daher so, als würden Deutsche ständig husten.<br> Also der Reihe nach: #Wir können die Luft einfach durch unsere Stimmlippen blasen, ohne Geräusche von uns zu geben. Das tun wir, wenn wir atmen oder stimmlose Laute aussprechen. #Wir können ein Rauschen verursachen, vergleichbar den Frikativen, wie dem s. Das machen wir beim Flüstern und beim h. #Wir können einen Verschluss bilden, also einen Plosiv. Im Deutschen wird an Silbenanfängen davon Gebrauch gemacht, in einigen Sprachen kommt der Laut auch am Ende vor. #Wir können eine Vibration erzeugen, was bei allen stimmhaften Lauten der Fall ist. Die Vibration lässt sich auch mit dem Rauschen kombinieren, wodurch die sogenannte Hauchstimme entsteht. Diese wird zum Beispiel bei indischen Plosiven benutzt, oder auch hier im deutschsprachigen Raum, um eine erotisierte Stimme zu erzeugen. Und noch etwas lässt sich mit der Stimme machen, und zwar mit dem Luftstrom. Man kann beim Sprechen kräftiger oder weniger kräftig ausatmen. Je kräftiger wir ausatmen, desto mehr klingt die Stimme wie ein Summton und desto höher wird auch die Frequenz. Atmen wir eher schwach aus, entsteht mehr ein Brummton, bei dem die einzelnen Anschläge der Vibration hörbar werden. Dies ist die Knarrstimme. === Das Ökosystem der Laute === Bisher ging es immer um einzelne Laute und wie sie gebildet werden können. Allerdings besteht das Sprachsignal nicht aus Einzellauten, sondern aus einem sich ständig verändernden Geräuschkonglomerat, bei dem die einzelnen Teile nur schwer voneinander trennbar sind. Wenn du direinen Sprechapparat im Einsatz ansiehst, siehst du, wie sich die Artikulatoren in ständiger Bewegung befinden. Auch hierbei ist nicht klar, wo ein Laut anfängt und wo er endet. Natürlich, denn die Artikulatoren müssen von einem Artikulationsort zum nächsten wandern und kommen sie dort an, geht es auch gleich wieder weiter. Zwischen zwei Lauten liegen daher unendlich viele Zwischenschritte. Das hat auch zur Folge, dass man länger braucht, wenn zwei weit voneinander befindliche Artikulationsorte aufeinander folgen, k und t (z. B. in "Akt"), als wenn zwei nahe beieinander stehende Artikulationsorte aufeinander folgen. Folgen zwei Laute aufeinander, die am selben (oder fast selben) Ort gebildet werden, können diese sogar noch weiter verschmelzen, wodurch sie für den Sprecher als ein Laut wahrgenommen werden. Dieser Kombilaut wird Affrikate genannt, wenn er aus einem Plosiv, gefolgt von einem Frikativ, besteht. Das häufigste Beispiel im germanischsprachigen Raum ist ts.<br> Außer, dass die Länge der Laute unterschiedlich ist, gibt es noch einen zweiten Effekt, nämlich, dass jeder Laut von seinen Nachbarn beeinflusst wird. Sprich einmal die Wörter "Laut" und "Licht" aus und achte dabei darauf, was deine Zunge beim l macht. Bei "Laut" benutzt du die Zungenspitze ganz vorne und dein Kiefer ist bereits in einer geöffneten Position, sodass die Position für das a schneller erreicht werden kann. Bei "Licht" dagegen liegt die Zunge etwas mehr auf und der Kiefer ist weiter oben. Dies ist die bessere Position, um hinterher schneller ein i zu produzieren. Besonders deutlich ist der unterschied, wenn du ein k sprichst. Genaugenommen könnte man da sogar zwei Laute ausmachen, weil die Positionen so unterschiedlich sind. Du kannst es an dir selbst beobachten, wenn du die Wörter "Katze" und "Kirche" aussprichst und anschließend mal das k gesondert, also ohne Vokal dahinter, nachbildest. Das waren jetzt Beispiele dafür, dass der nachfolgende Laut den vorhergehenden Laut beeinflusst, außerdem war es immer ein Vokal, der den Konsonanten verändert hat. Andere Beispiele wären etwa "Angel" vs. "Inge", wo der vorangehende Vokal den nachfolgenden Laut verändert und die Formantabbiegungen der Plosive, die im entsprechenden Kapitel noch näher erläutert werden.<br> Sind mehrere Artikulatoren beteiligt, kann es sogar dazu kommen, dass der eine Artikulator seine Stellung bereits einnimmt, wenn der erste Laut ausgesprochen wird oder noch weiter beibehält, während bereits der nächste Laut ausgesprochen wurde. Am einfachsten lässt es sich mit den Lippen zeigen. Das m ist normalerweise ein Laut, der ohne Lippenrundung ausgesprochen wird. Wird jedoch ein gerundeter Vokal vorher oder nachher gesprochen, so wird auch das m mit gerundeten Lippen gesprochen. Beispiele dafür sind "um" und "muss". Das zweite Beispiel zeigt, dass sich solche Veränderungen der Laute sogar über den direkten Nachbarn hinaus bewegen können, denn das s werden die meisten ebenfalls mit gerundeten Lippen aussprechen. === Qualität und Quantität === Bisher haben wir uns mit der Spracherzeugung beschäftigt, also wie die Laute gebildet werden. Auf der anderen Seite müssen wir die Laute aber natürlich auch hören können. Was gehört wird ist dabei von Lebewesen zu Lebewesen unterschiedlich. Im Sprachsignal gibt es drei Dimensionen, die wir unterscheiden können: Lautstärke, Tonhöhe (bzw. Frequenz) und die Qualität. Leider hören wir aber nicht wie Messgeräte, die in allen Bereichen, in denen sie messen können, immer gleich "hören". Wir hören also bestimmte Lautstärken und Tonhöhen besser, als andere. In welchen Bereichen wir wie gut hören, ist menschenspezifisch. Andere Lebewesen hören also auch anders. Es kann also auch durchaus vorkommen, dass sich zwei Völker einfach nicht verstehen können, was unter Umständen sogar mit Schmerzen verbunden ist. Diese Schmerzen braucht der Mensch (und die meisten anderen hörenden Lebewesen), um das Gehör vor Schäden zu bewahren, die durch laute und hohe Töne entstehen können, aber es ist auch denkbar, dass ein Wesen ein geräuschempfindliches Organ hat. Teilweise vertragen zum Beispiel einige Menschen keine tiefen Töne, ihnen wird übel, weil der Magen die tiefen Schwingungen nicht erträgt. Die Unterscheidungen zwischen der wahrgenommenen Tonhöhe (=Tonheit) und der wahrgenommenen Lautstärke (=Lautheit) macht sich der Mensch in seinen Sprachen zunutze. Es gibt keine menschliche Sprache, die ohne diese Faktoren auskommt.<br> Dazu kommt noch die Qualität, mit der Geräusche unterschieden werden können, selbst wenn die Lautstärke und die Tonhöhe gleich sind. Beispielsweise klingen gleich gestimmte Gitarrensaiten unterschiedlich, je nachdem, ob es eine Stahlsaite ist, oder nicht, selbst wenn sie gleich laut angeschlagen werden. Um diese zu erklären muss ich etwas weiter ausholen: Die Tonhöhe kann, zusammen mit der Zeit, in einem Diagramm dargestellt werden, dem sogenannten Oszillogramm. Die meisten werden eine entsprechende Darstellung kennen, in der Geräusche als fortlaufende Kurve dargestellt werden. :-- Oszillogramm --: Nun besteht ein Ton in dieser Darstellung aus sich abwechelnden Bergen und Tälern. Und sie können gleichmäßig oder vorne oder hinten steiler sein. Sind die Berge vorne steiler, ist das Geräusch dunkel, sind sie hinten steiler, ist es hell. Dieser Teilaspekt der Qualität nennt der Phonetiker Helligkeit. (Die tausend anderen Begriffe aus den anderen Fachbereichen lasse ich hier mal weg.) :-- Helligkeit --: Nimmt man zu Tonhöhe und Zeit noch die Lautstärke, erhält man ein Spektogramm, wie er im Kapitel über den Vokaltrakt zu sehen ist. Formanten gibt es dabei nicht nur bei Vokalen, sondern auch bei den meisten anderen Lauten. Den zweiten Teilaspekt der Qualität macht das Verhältnis der Formanten zueinander, also näher beieinander oder weiter auseinander, und in sich selbst aus. Das "in sich selbst" ist etwas schwierig zu erklären, aber du kannst es dir vielleicht so vorstellen, dass ein Formant eine Gesamtlautstärke und eine Gesamttonhöhe besitzt, die sich aber bei genauerer Betrachtung intern ständig ändern. Und genau dieses Verhältnis zwischen den Gesamtwerten und den inneren Veränderungen macht die Qualität aus.<br> Im Endeffekt ist Qualität also nur ein Zusammenspiel zwischen Lautstärke und Tonhöhe in den verschiedenen Dimensionen. Wir unterscheiden Laute also nach Tonheit, Lautheit und Qualität. Aber halt. Mehrfach habe ich die Zeit erwähnt. Auch das ist ein Merkmal, das bei den Lauten eine Rolle spielt, denn ohne die zeitliche Dimension kommt Schall nicht aus, denn käme alles gleichzeitig, könnten wir den Mix wohl kaum auseinander halten (auch wenn der Mensch in dieser Hinsicht erstaunliche Fähigkeiten hat). Zu den Merkmalen kommt also noch die Quantität. Ein Laut kann kurz oder lang sein. Bis auf die Lautheit werden auch alle diese Merkmale zur Lautunterscheidung benutzt. Die Qualität ist wichtig zur Unterscheidung der Vokale, weshalb sie in jeder Sprache distinktiv, also lautunterscheidend ist. Tonheit und Quantität werden zwar in vielen, aber nicht in allen Sprachen zur Unterscheidung der Laute genutzt. Die deutsche Sprache ist ein Beispiel, in der die Quantität eine große Rolle spielt, wobei sie meistens mit einem Qualitätsunterschied einhergeht. Der Unterschied zwischen "Boot" und "Bot" macht dies deutlich. Sehr selten gibt es mehrstufige Quantitätsunterschiede, wie in einigen Dialekten in Niedersachsen, die drei Quantitätsstufen kennen. Und sogar Plosive können kurz oder lang sein, wie beispielsweise das Isländische zeigt. Sprachen ohne Quantitätsunterschied sind selten, aber dennoch vorhanden (z. B. Spanisch).<br> Für Europäer, also wahrscheinlich auch für dich, ist die Tonhöhenunterscheidung der Laute eher ungewöhnlich, ist aber eigentlich bei den meisten Sprachen vorhanden, vor allem in Asien und Afrika. Sprachen, die keine Tonhöhen unterscheiden, nutzen meistens den Druckakzent. Das ist eine Erhöhung von Lautheit und Quantität, die auch mit einer Qualitäts- und Tonheitsänderung einhergehen kann. Während der Druckakzent aber meistens nur für die Betonung benutzt wird, ist er in der deutschen Sprache bedeutungsunterscheidend. Beispiele dafür sind Tenor (Sänger vs. Einstellung) und August (Monat vs. Name).<br> Es gilt also: *Alle Sprachen unterscheiden die Qualität, insbesondere bei den Vokalen. *Es gibt Sprachen, die Laute nach der Tonheit unterscheiden: Tonsprachen. *Es gibt Sprachen, die Laute nach der Quantität unterscheiden: Quantitätssprachen. Wobei einige nur Vokale oder nur Konsonanten quantitativ unterscheiden. *Es gibt Sprachen, die Bedeutungen nach dem Druckakzent unterscheiden oder ihn zur Betonung nutzen: Druckakzentsprachen. *Die genannten Aspekte schließen sich gegenseitig ''nicht'' aus. === Töne und Akzente === In allen Sprachen wird die Tonheit genutzt, um bestimmte Strukturen der Sprache kenntlich zu machen und zu betonen. Alle Phänomene, die Quantität, Tonheit oder Druckakzent nutzen, ohne dass die einzelnen Laute davon direkt betroffen sind, werden als Prosodie zusammengefasst. Gemeint ist damit, dass es für die Funktion der Laute keine Bedeutung hat, wie Quantität, Tonheit und Druckakzent auf das Wort oder den Satz angewendet werden. Als Beispiel können wir einen deutsche Fragesatz nehmen, wie "Hast du heute schon gegessen?". Hier wird die Tonhöhe am Ende des Satzes angehoben, aber die Laute bleiben die gleichen. Die Veränderung der Tonhöhe hat also keinen Einfluss darauf, welche Laute wir hören. In einigen Sprachen gibt es aber durchaus Tonhöhendifferenzen, die die Laute selbst betreffen. Es macht einen klaren Bedeutungsunterschied, ob der Pekinger "mā" mit einem gleichbleibenden hohen Ton sagt oder "mǎ", bei dem der Ton zuerst fällt um dann wieder zu steigen. Im ersten Fall ist die Mutter gemeint, im zweiten würdest du sie beleidigen, da damit ein Pferd bezeichnet wird. Wobei noch angemerkt werden muss, dass sich Töne immer nur im Silbenkern niederlassen, was für die meisten Sprachen bedeutet, dass es grundsätzlich Vokale sind, die die Töne tragen. Die Unterschiede zwischen den sogenannten Tonsprachen können dabei von einem einfachen System mit zwei Oppositionen, z. B. hoch vs. tief bis hin zu einem System mit fünf oder mehr unterscheidbaren Tonstufen gehen, wobei die Töne nicht nur auf einer Tonstufe liegen müssen, sondern auch noch Veränderungen darstellen können, wie z. B. fallender Ton oder steigender Ton. Bei einfachen Systemen, die nur zwischen zwei Oppositionen unterscheiden, werden diese Oppositionen als Akzent bezeichnet. Dabei ist meistens ein Grundton vorhanden, der von den Sprechern als ohne Akzent wahrgenommen wird, und ein Akzentton, also das, was gefühlt seltener auftaucht. Wobei "gefühlt" nicht bedeutet, dass dies auch tatsächlich der Fall ist. Jedenfalls ist es schwer zu sagen, ob eine Sprache nur über Tonakzente verfügt, oder ein ausgebildetes Tonsystem hat. Die Definitionen sind unterschiedlich, sodass beispielsweise das Mittelfränkisch je nach Definition eine Tonakzentsprache ist, oder doch schon eine Tonsprache. Sogar beides ist möglich, wenn man die Tonakzentsprachen als eine Gruppe innerhalb der Tonsprachen betrachtet. Was das Mittelfränkisch so besonders macht? Es gibt zwei Töne, die allerdings nur bei langen Vokalen unterschieden werden und sich dort aber ganz Unterschiedlich verhalten, je nachdem, was um sie herum ist, also z. B. welche Laute und Wörter den Vokal umgeben und in was für einem Satz sie zu finden sind. Wir haben hier also eine Opposition zwischen zwei Akzenten bei langen Vokalen und nicht-akzentuierten kurzen Vokalen und die zwei Akzente benehmen sich auch noch in jeder Situation anders. Aber zurück zu den Tönen. Beim Mandarin-Chinesisch, wie es die Pekinger sprechen, haben wir gesehen, dass der Ton innerhalb eines Vokals in der Höhe variiert. Er kann steigen, fallen, fallen und dann wieder steigen, sowie einfach hoch sein. Den neutralen Ton mal ausgenommen, kennt das Mandarin also vier Töne, von denen sich drei dadurch auszeichnen, dass sie sich in der Tonhöhe verändern. Diese Töne werden Konturtöne genannt, während gleichbleibende Töne, wie der hohe Ton in "mā" (Mutter) als Leveltöne bezeichnet werden. Sprachen, in denen mehrere Konturtöne zu finden sind, haben oft nicht so viele Tonstufen und kommen überwiegend in Asien vor, während Sprachen mit vielen Tonstufen kaum Konturtöne aufweisen und hauptsächlich in Afrika zu finden sind, wobei das nur eine grobe Pi-mal-Daumen-Unterteilung ist. Allerdings hilft das, um zu erklären, warum es zwei verschiedene Akzentschreibarten für Töne gibt, die einen schonmal durcheinander bringen können: So benutzen asiatische Forscher die Akzente, um die Kontur darzustellen: á ist demnach ein steigender Ton, während à einen fallenden Ton darstellt. Die afrikanischen Forscher sagen dagegen, dass á ein hoher Ton und à ein tiefer Ton ist. Wie du das in deiner Sprache umsetzt, solltest du also daran fest machen, ob deine Sprache eher eine Levelton- oder eine Konturtonsprache ist. Guck dir die Möglichkeiten an und entscheide selbst, wie es für dich am besten aussieht: {| | ! afrikanisch ! asiatisch |- ! sehr hoch |[e̋] |– |- ! hoch |[é] |[ē] |- ! mittel |[ē] |[e] |- ! tief |[è] |[ẹ] |- ! sehr tief |[ȅ] |– |- ! steigend |[ě] |[é] |- ! fallend |[ê] |[è] |- ! steigend fallend |[ ᷈e] |[ê] |- ! fallend steigend |[ ᷉e] |[ě] |} Das IPA orientiert sich dabei nach dem afrikanischen System und kennt auch noch Zeichen für hohe [ ᷄e] und tiefe steigende [ ᷅e], sowie für hohe [ ᷆e] und tiefe fallende [ ᷇e] Töne. Daran lässt sich schon erkennen, wie komplex tonale Systeme sein können. Aber um das noch komplizierter zu machen, mischen einige Sprachen auch noch die Knarrstimme hinein oder lassen einen Ton mit einem Verschluss der Stimmlippen enden. Auch schonmal beides zusammen, wie in der vietnamesischen Sprache. Darüber hinaus kennen einige Sprachen auch einen neutralen Ton, eine Einheit ohne Ton. Natürlich muss ein Laut auch einen Ton haben, sonst könnten wir ihn ja nicht hören, nur holt sich der Laut mit dem neutralen Ton seinen Ton aus der Umgebung. Er entscheidet sich, ob er sich anziehen soll, wie sein Vordermann oder sein Nachfolger. == Wie bilde ich Laute? == Nun aber genug der trockenen Theorie. Um eine Sprache zu erschaffen, sollte man auch ein Gefühl dafür bekommen, wie sich gewisse Laute aussprechen lassen und wie sie sich anhören. Auch wenn man eine Sprache entwickelt, die von Wesen gesprochen werden soll, deren Sprechapparat anders aufgebaut ist, als bei (irdischen) Menschen, ist es sinnvoll, ein Gefühl dafür zu bekommen, was mit unserer Anatomie wie gut geht.<br> Mache zu den Übungen auch Aufnahmen, wenn du die Technik dafür hast, damit du auch hören kannst, wie die Laute für andere klingen. Außerdem kannst so du üben, Unterschiede zu hören, die dein Gehirn sonst ausblenden würde. === Lunge === Fangen wir mit der Lunge an. Wir können (ingressiv) einatmen und (egressiv) ausatmen (wäre auch schlecht, wenn nicht). Natürlich können wir auch Geräusche erzeugen, ohne zu atmen, aber das Atmen bietet uns die Möglichkeit deutlich mehr Laute zu erzeugen. Vokale wären sonst beispielsweise nicht nötig. Und genau da fängst du nun an: Sag 'a' und atme dabei einmal aus (das ist die normale Aussprache) und einmal ein. Wenn du jetzt einen Text einmal normal, also egressiv spricht und einmal ingressiv, stellst du fest, dass es anstrengender ist, Laute ingressiv zu erzeugen. Deshalb gibt es solche Laute auch eher selten. Die meisten Sprachen, wie etwa Deutsch, verzichten sogar ganz darauf. === Orte === Eine gute Übung ist, wenn du einfach mal die Artikulationsorte durchgehst. # Zuerst sprichst du z. B. ein 'e', während sich deine Lippen immer weiter zueinander hin bewegen, bis ein Rauschen entsteht. Mach dies auch einmal mit gerundeten Lippen. Merkst du den Unterschied? Wenn nicht, dann nimm es auf und hör, ob du die zwei Laute so unterscheiden kannst. Übe dies, bis du die zwei Laute voneinander unterscheiden kannst. Als nächstes kannst du dann die Lippen schließen, sodass keine Luft mehr durch den Mund strömen kann. Lässt du alles locker, wird die Luft über den Nasenraum entweichen, ein 'm' entsteht. Lässt du die Luft jedoch nicht durch die Nase, hört auch die Stimme auf, zu vibrieren, wenn keine Luft mehr in den Mundraum strömen kann. Öffnest du die Lippen aber frühzeitig, hast du ein stimmhaftes 'b' erzeugt. Das Ganze kannst du dann nochmal ohne Stimme wiederholen.<br>Damit dürftest du ein Gefühl für den Unterschied zwischen stimmhaften und stimmlosen Frikativen, Plosiven und Nasalen haben. Stimmlose Nasale kommen übrigens sehr selten vor. Spätestens wenn du deinen Nasal aufnimmst und anhörst, wird dir klar, warum. # Als nächstes benutzt du deine Zungenspitze, die du zuerst an die Oberlippe legst und dort einen Frikativ bildest. Dann gehst du weiter zu den oberen Schneidezähnen. Die Zunge rutscht nun weiter über Zahndamm zum harten Gaumen. Dabei krümmt sich die Zunge. Wenn sie sich soweit gekrümmt hat, dass sie sozusagen zurückgeklappt ist, erzeugst du einen sogenannten retroflexen Laut. Mach dies ganz langsam, damit du alle Laute auch gut wahrnehmen kannst. Auch hier wieder die Übung einmal stimmhaft und einmal stimmlos wiederholen.<br>Wie du merkst, kann es eigentlich auch unendlich viele Laute zwischen den in der IPA-Tabelle aufgelisteten geben. Da unser Gehör jedoch nicht so präzise ist, nehmen wir nicht alle Nuancen wahr. Dazu kommt, dass unser Gehirn bestimmte Lautgruppen einfach zusammen zieht, sodass wir diese nicht auseinander halten können, selbst wenn unser Gehör dazu eigentlich in der Lage wäre. # Nun legen wir die Zungenspitze an den unteren Schneidezähnen ab. Produzier so ein 's' (ja das geht wirklich). Schiebe dann den Unterkiefer etwas nach vorne. Dadurch klingt der neue Laut etwas anders. Lass nun die Engstelle weiter nach hinten wandern. Wieder ganz langsam, damit du die Laute auch gut wahrnehmen kannst. Dabei veränderst du sowohl die Artikulationsstelle, als auch den Artikulator. Anders wär es auch ziemlich schwierig, aber wenn du willst kannst du gerne versuchen den Artikulator beizubehalten. (Falls du den theoretischen Teil übersprungen hast und mit dem Begriff Artikulator nichts anfangen kannst: damit ist in diesem Fall die Stelle der Zunge gemeint, mit der du die Engstelle im Mund bildest.) Versuche bei der Übung soweit runter zu kommen, wie möglich, auch wenn es dir ganz hinten unangenehm erscheint. Einige Sprachen, wie Arabisch verwenden diese Laute tatsächlich.<br>Vergiss nicht, die Übung ebenfalls stimmhaft und stimmlos durchzugehen. # Die beiden vorangegangenen Übungen kannst du auch mit Plosiven und Nasalen und vielleicht auch ingressiv durchspielen. Damit hast du schon die meisten Konsonanten produziert, die es in den Sprachen der Erde gibt. # Als erste Übung hatten wir die Lippen, allerdings nur beide Lippen zusammen. Du kannst aber auch die Oberlippen mit den unteren Zähnen und die Unterlippen mit den oberen Zähnen kombinieren. Das Spielchen kannst du also auch mit diesen zwei Stellungen spielen, also Frikativ, Plosiv und Nasal, stimmhaft und stimmlos, egressiv und ingressiv. # Probier einfach mal etwas herum, versuch, mehrere Artikulationsstellen gleichzeitig auszusprechen und taste dich an alle (un)möglichen Stellen heran. Je mehr du auch ungewohnte Artikulationsstellen übst, desto sicherer kannst du sie und desto mehr fallen dir vielleicht sogar Stellen auf, die ich hier gar nicht erwähnt habe. === Liquide & Co. === Eigentlich sind das gleich mehrere Gruppen von Lauten, die aber hin und wieder zusammengefasst werden. Unter den Liquiden werden in der Regel Laterale und r-Laute zusammengefasst, aber auch Approximanten werden manchmal darunter gefasst. Wir haben also unterschiedliche Lautgruppen, die anatomisch teilweise einfach gar nichts miteinander zu tun haben. # Approximanten sind, wie weiter oben erwähnt Laute, die irgendwie zwischen Vokalen und Konsonanten liegen. Sprechen wir etwa ein 'u' und schließen dabei immer weiter die Lippen, haben wir irgendwo zwischen dem 'u' und dem Frikativ ein 'w' wie in englisch 'water'. Teilweise kann man auch sagen, dass Approximanten quasi konsonantische Vokale sind, denn wenn ein Vokal an eine Stelle rutscht, an der eigentlich ein Konsonant stehen müsste, entsteht dort fast schon automatisch ein Approximant. Wenn du beispielsweise das Wort "uas" siehst, gibt es (für deutsche Muttersprachler) zwei Möglichkeiten, es zu lesen. Die eine wäre, dass wir einen Glottalverschluss davor setzen und damit unser Problem beseitigen, oder wir sprechen es aus, als wäre es ein englisches 'w'. Überlege, wo so etwas in der deutschen Sprache passiert. (Auflösung: Häufig bei Pluralbildungen: Säue, Auen, Eier)<br>Andere Approximanten haben aber eher weniger mit Vokalen zu tun. Sprich das Wort 'awas' einmal schnell und locker aus. Bei den meisten werden sich Lippe und Zähne gar nicht so nahe kommen, als dass sie einen Frikativ bilden würden. Ersetze beim 'w' nun einfach mal durch die einzelnen Artikulationsstellen, wie du das auch schon in den Übungen zu den Orten gemacht hast. Außerdem kannst du die Zunge zurück ziehen (quasi verschlucken) um auch so Approximanten zu bilden. # Bei den Lateralen gelangt die Luft seitlich an der Zunge vorbei. Es gibt auch hier Approximanten, wie unser 'l', Frikative und Plosive, auch wenn die Plosive nicht in der IPA-Tabelle auftauchen. Als erste Teil-Übung für die Lateralen kannst du die Orte durchgehen, wie in der entsprechenden Übung oben.<br>Bei den Artikulationsorten, die in der zweiten Übung der Orte behandelt werden, kannst du noch zusätzlich den Zungenrücken weiter nach unten schieben. Wenn du ein im deutschen Sprachraum übliches 'l' aussprichst, liegt ein Teil der vorderen Zunge auf dem Zahndamm. Schiebst du nun den Zungenrücken nach unten, berührt schließlich nur noch die Zungenspitze den Zahndamm. Das kannst du dir so vorstellen, als stündest du auf den Fußballen und würdest dich nun auf die Zehen(spitzen) stellen.<br>Nun kannst du dir einen beliebigen Text nehmen und ihn so vorlesen, als wäre die Zungenspitze an einem Artikulationsort festgewachsen. Sprich die Wörter ruhig mehrmals aus, um dir klar zu werden, was du da eigentlich machst. Lies den Text jeweils mit der Zunge an verschiedenen Orten. # Für Taps, Flaps und Vibranten ist es wichtig, dass du schon ein gewisses Gefühl für den Mundraum entwickelt hast, was du jetzt auch haben solltest, wenn du die Übungen oben alle gemacht hast. Die drei Lautgruppen zeichnen sich durch kurze Anschläge eines Artikulators an einem Artikulationsort aus. Im Gegensatz zu den Vibranten, bei denen mehrere Anschläge schnell aufeinander folgen, gibt es bei Taps und Flaps nur einen Anschlag. Der Unterschied zwischen Taps und Flaps wiederum besteht darin, in welche Richtung sich der Artikulator dabei bewegt. Bei einem Tap bewegt er sich von außen nach innen und bei einem Flap genau umgekehrt, also von innen nach außen. ##Zuerst machen wir ein paar Lockerungsübungen: Fang damit an, ganz schnell 'lala' ein paar mal zu wiederholen. Bieg die Zunge dann nach hinten und streck sie wieder aus. Versuch dabei immer schneller zu werden. Als nächstes schlägst du die Zunge dann beim ein und ausklappen gegen die Oberlippe. Hört sich eigenartig an, und die Gesichter der Leute sind ganz lustig, wenn du das in der Straßenbahn machst. Die letzte Lockerungsübung geht seitwärts. Dafür legst du die Zungenspitze zunächst an die Seite deiner Lippen (ob rechts oder links ist egal) und schlägst dann ganz schnell zur anderen Seite rüber. Wiederhole das ein mehrmals ohne Pause dazwischen. ##Der häufigste Tap ist der, der am Zahndamm gebildet wird und einem sehr kurz gesprochenen 'd' ähnelt. Um diesen zu üben kannst du das Wort "gdaas" ganz schnell mehrfach wiederholen. Irgendwann dürfte es klingen, als würdest du "Gras" sagen, nur eben mit einem Tap, anstelle des 'r'. Für den Flap an gleicher Stelle sprichst du das 'g' mit einer nach hinten gebogenen Zunge aus (retroflex) und versuchst wieder das Wörtchen "gdaas" ganz schnell und oft zu wiederholen. Übe diese beiden Laute am besten solange bis du sie wirklich kannst, bevor du dich an die nächste Teilübung begibst. ##Änder das 'd' in "gdaas" nun ab, sodass du das Ganze an den Zähnen und an der Oberlippe durchspielst (natürlich nacheinander). Diese Übung ist schwerer als die vorherige, also nicht gleich aufgeben, wenn es nicht auf anhieb klappt und du deine Zunge verhedderst. ##(labiodental & bilabial) # Vibranten === Plosive === +/- aspiriert, +/-stimmhaft === Vokaltrapez === === Klicklaute und Ejektive === === Töne === === Der Klang der Sprache === == Besondere Laute im Porträt == === Schwa === === Nasale und Nasalvokale === === Plosive === *VOT *Aspiration und Präaspiration *Implosive *Öffnung (nasal, lateral, nicht hörbar) und Formantabbiegungen *Glottalverschluss *Fortis/Lenis - *Larynx **stimmhaft **stimmlos **Knarrstimme (creaky voice) (Hausa, Mazatec) **stiff voice (Jingpho, Korean) **Aspiration (Danish, Thai) **Präaspiration (Icelandic, Gaelic) **Hauchstimme (breathy voice) (Hindi, Marathi) **slack voice (Javanese, Wu) *Artikulation **pränasaliert (Fijian, Fula) **Affrikaten (German, Navajo) **nasale Öffnung (Yeletnye, Arrernte) **laterale Öffnung (Navajo, Mixtec) *Länge "Lenis-Laute sind ungespannte Laute, die keinerlei Glottisschwingungen aufweisen, dabei jedoch als stimmhaft aufgefasst werden." ( http://schreiben.sprachsignale.de/preaspiration.php#Stiff%20Voice ) *slack voice: Stimmlippen vibrieren, aber schwach; leicht erhöhter Luftstrom *stiff voice: Stimmlippen vibrieren, aber angespannt; leicht erniedrigter Luftstrom; kann mit Knarrstimme verwechselt werden === Ejektive === === Klicks === === Laterale === === r-Laute === === Rachenlaute === === Ein Laut, mehrere Orte === *Palatalisierung *Velarisierung *Labialisierung *Doppelplosive === besonders seltene Laute === *Das deutsche sch (mit Lippenrundung) *der ominöse "stimmlose velopalatale Frikativ" [ɧ] im Schwedischen, bei dem sich selbst einheimische Phonetiker nicht sicher sind, wie er genau ausgesprochen wird bzw. ob es ihn auf der phonetischen Ebene wirklich gibt (phonologisch, also bedeutungsunterscheidend, existiert er auf jeden Fall, aber die tatsächliche Aussprache variiert regional extrem, irgendwo zwischen [ʃ͡x], [fˠʷ], [ɕˠ], [ʂʷ] und [χ]). *der stimmlose retroflexe laterale Frikativ, für den es gar kein eigenes IPA-Zeichen gibt (ad-hoc-Schreibung [ɬ̢] oder [ɬ˞]. Kommt vor in der in Südindien gesprochenen drawidischen Sprache Toda. *der (nicht-affrizierte) retroflexe Ejektiv [ʈ’], der sehr markant klingt und dabei total einfach zu sprechen ist (wenn man einmal weiß, wie Ejektive gehen), der aber nur in den beiden athabaskischen Sprachen Gwich’in (Kanada/Alaska) und Tolowa (Nordkalifornien) vorkommt. Wahrscheinlich ist er deshalb so selten, weil Sprachen mit retroflexen Konsonanten und Sprachen mit Ejektiven zufälligerweise meistens nicht in der gleichen Weltgegend zu Hause sind. *das "bunched r" in manchen Varianten des amerikanischen Englisch, das man wohl irgendwie so ähnlich wie [ɻ͡ʁʷˤ] transkribieren müsste. *das tschechische <ř>, das einen frikatisierten und oft außerdem palatalisierten Vibranten [r̝] bzw. [r̝ʲ] ~ [r͡ʒ] darstellt. *bilabialer Flap
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